Der Erfahrbare Atem nach Prof. Ilse Middendorf ®
Die Atemlehre des Erfahrbaren Atems ist eine von Prof. Ilse Middendorf (1910-2009) entwickeltes eigenständiges Behandlungssystem der Atem- und Körpertherapie. Der zugelassene Atem wird als „Leitseil“ (Ilse Middendorf ) aller Lebensprozesse erfahren. Entwicklungen entstehen bei dieser Atemtherapie aus den Atemerfahrungen, nicht über denken und diagnostizieren.
Wesentliche Methode des Erfahrbaren Atems
Die Atemlehre unterscheidet drei Arten zu atmen:
- die unbewusste Atemfunktion
- die willentliche, zielgerichtete Atmung (z.B. Yoga-Atemtechnik)
- der zugelassene und gleichzeitig wahrgenommene Atem
- (Erfahrbarer Atem)
Ilse Middendorf forderte ihre Zuhörer häufig zu folgender kleinen Übung auf, um dies zu veranschaulichen. Hierzu lade ich Sie ein, es einmal auszuprobieren:
„Dehnen Sie Ihre Hände. Dann spüren Sie, wie Sie mit der Dehnbewegung unwillkürlich einatmen und beim Loslassen wieder ausatmen. Dies ist der Atem, der gemeint ist. Wenn Sie sich zu einer Stelle Ihres Körpers hin sammeln, empfinden Sie gleichzeitig und nehmen wahr, dass Sie atmen.“
Wie wirkt der Erfahrbare Atem?
Lassen wir den Atem zu und nehmen wir dies bewusst wahr, so gelangt bisher Unbewusstes zutage. Die körperlichen und seelischen Haltungen, die unseren natürlichen Atemfluss hemmen, werden bewusst erfahren und können verändert werden.
Mit jedem Atemzug lernen wir uns besser kennen, den ganzen Körper, den Fuß, die Hand, die Muskulatur, die Organe, die Kreisläufe und die Sinne. Alles wird durch die gesammelte Empfindung der Atembewegung neu erfahren. Körpergegenden, die sich durch innere oder äußere Einflüsse verfestigt haben oder erschlafft sind, bekommen einen besseren Tonus. Je mehr wir üben und uns auch in Einzelbehandlungen begeben, desto durchlässiger wird der Körper. Der Zugang zu den eigenen Empfindungen wird konkreter. Die Wahrnehmungen für die eigenen Seelenbewegungen erhöhen sich. Die Atemerfahrungen werden so zu einem „Leitseil“ aller Lebensprozesse. Den Übenden fällt es immer leichter, nicht nur auf den Kopf zu hören, sondern vor allem auf die eigene Intuition. Ein Resultat für viele Übende ist, dass sie sehr bewusste Entscheidungen treffen können und genau spüren, welche Wege für sie richtig sind und welche nicht. Mit wachsender Bewusstheit und Empfindungsfähigkeit für die Atembewegung verbessert sich die körperliche Befindlichkeit, harmonisieren sich alle somatischen Abläufe. Es entwickelt sich innere Kraft, eine gelassene Grundhaltung, Leichtigkeit und Freude. Wir werden spontaner, präsenter, kreativer, spielerischer.
Das einmal Erfahrene wirkt in unserem Alltag weiter und wir entwickeln uns zum Wesentlichen: zum eigenen Atem und eigenen Atemrhythmus.
„Die Figur des tanzenden Derwisch symbolisiert viele meiner Atemerfahrungen: Die Verbindung zwischen Himmel und Erde, die Aufrichtung des Körpers, die Hingabe an den Atem, die Ruhe in der Bewegung, der eigene Raum und die Verbindung zum großen Ganzen."